Home Artists Posts Import Register

Content

 
1.   September 2015  -  Tag 14: 

 Wir verlassen Almaty in den frühen Morgenstunden, um möglichst schnell die kirgisische Grenze überqueren zu dürfen. Wir wissen immer noch nicht so ganz genau, wann wir denn nun eigentlich am Pass von Torugart sein sollen, um unsere Guides zu treffen, also lieber keine Zeit vertrödeln. Außerdem sollten wir ja innerhalb von fünf Tagen aus Kasachstan wieder raus sein, auch wenn uns das nach dem angenehmen Aufenthalt in Almaty alles nicht mehr so streng vorkommt.   Die Grenze verläuft eigentlich nur wenige km südlich von Almaty, aber der gewaltige Bergrücken, der diese Grenze markiert, zwingt uns zu einem 400-km-Umweg Richtung Westen, so dass wir nahe der kirgisischen Hauptstadt Bishkek den Fluss Tschüi (ich denke mir diese Namen nicht aus) überqueren können. Auf dem Weg dorthin wird es natürlich wieder immer provinzieller und schließlich erreichen wir einen nur recht wenig frequentierten Grenzposten, der auf die Brücke über den Tschüi gebaut wurde. Es war an diesem Tag vmtl. Ein Fehler, mich als Kameramann ans Steuer zu setzen, daher gibt es von dieser Location keine Bilder. Und es wird mal wieder klar, warum ich nicht ans Steuer gehöre. Alle Spuren zu den Grenzposten sind mit ca. 1 Meter hohen Metallwänden eingeteilt. Die Spuren werden irgendwann sehr eng. Und auf halber Strecke weist man uns darauf hin, dass wir auf der falschen Spur sind. Also zurück, neuer Versuch.   Danach holen die kasachischen Grenzer alle Leute bis auf den Fahrer (also mich) aus dem Auto und beginnen, den Wagen zu untersuchen. Es ist die erste Grenzkontrolle, die wirklich unangenehm wird. Schnell wird klar, dass es dem Grenzer völlig egal ist, was wir mitführen. Er will nur irgendetwas abgreifen. Ein „Souvenir“. ZB meine GoPro-Kamera. Die brauchen wir aber noch. Natürlich kann ich kein Russisch oder Kasachisch und er kein Englisch oder Deutsch (andere Sprachen habe ich nicht versucht, aber vielleicht hätte er sich ja als Französisch-Crack herausgestellt und meine paar gebrochenen Sätze korrigiert), Mháire ist ganz woanders, kann also auch nicht helfen. Es beginnt somit ein sehr unangenehmes und gefühlt stundenlanges Gespräch, indem ich versuche, dem Herrn klar zu machen, dass ich meine Kamera nicht hergeben werde und ihm irgendwann verzweifelterweise sogar unsere Notfall-Handkamera anbiete (immerhin auch sicher noch 1-200 Euro wert). Aber irgendwie können wir uns nicht einigen. Nach viel Gezeter und einigem Herumgeschubse gibt der Mann schließlich auf und wir dürfen weiterfahren. 

Auf der kirgisischen Seite läuft hingegen alles reibungslos. Bis auf dieses Gespräch mit den Beamten beim Inspizieren unser Nasszelle. Beamter: „WC?“ Wir: „WC. …. WC kaputt.“ (war es zu diesem Zeitpunkt) Beamter lacht. Dann:„Germania?“ Wir: „Da, Germania!“ Beamter: „Ah. H*** Hitler!“
 Es folgte eine Schockpause. Dann: „Nix Hitler. Hitler kaputt!“ Reaktion: Freundliches Lachen und Weiterwinken. Ich bin beim Wegfahren so erleichtert und nervös, dass es mir auch egal ist, dass unser Auto das Straßenschild am Grenzposten streift und fast umwirft. Auch darüber lachen die Grenzer nur.   In den nächsten paar Tagen in Kirgistan wurden wir noch mehrfach so gegrüßt. Natürlich nur von älteren Leuten. Unser seltsamer erster Eindruck von diesem Land wird dann auch direkt weiter geprägt. 

Direkt nach der Grenze sehen wir ein Stoppschild. Ich bemerke das Stoppschild, frage mich noch „Wieso steht da ein Stoppschild? Da ist keine Kreuzung oder Ausfahrt“ - komme aber nicht auf die Idee, anzuhalten. Dann dämmert mir der Sinn des Schilds und ich steige auf die Bremse. Leider etwas zu spät.   Das Selbstzweck-Stoppschild ist natürlich eine Polizeifalle. Die sehr freundlichen Beamten führen uns in eine Raum und rufen jemanden an, der Englisch kann. Der erklärt mir am Handy, ich solle eine Strafe zahlen. Der Beamte öffnet eine Schublade und weist hinein. Ich lege 30 Euro hinein. Damit scheint die Sache gegessen.

 Gut, dass der Mann nicht bestechlich war und nur zufällig später 30 Euro in seiner Schublade gefunden hat! 


Danach beschließe ich, bis auf Weiteres nicht mehr zu fahren. Wir dringen in die Hauptstadt Bishkek vor, sehen aber vor lauter Smog kaum etwas von den Gebäuden. Die Stadt wirkt westlich und modern, ich plädiere also dafür Burger oder sonst etwas Essen zu gehen. Die anderen haben aber aber noch keine Hunger und der Smog vermiest allen die Laune. Also holen wir eben nur Geld und beschließen, dass wir direkt in die Pampa fahren, um dort wild zu campen. Wie man es in diesem Land angeblich so gut machen kann.   Die Pampa ist aber noch weit weg. Zunächst einmal reiht sich auf der einzigen Straße nach Osten Dorf an Dorf. Nirgendwo kann man einfach in Ruhe sein Nachtlager aufstellen. Wir erreichen die Stadt Tokmok als es dunkel wird -  die mir mit ihren hübschen Alleen und Gärten voller Lampions als sehr angenehm in Erinnerung geblieben ist. Hier reiht sich Schaschlik-Restaurant an Schaschlik-Restaurant, das Ganze sieht aus wie eine Traumsequenz einer riesigen Gartenparty aber meine Mitreisenden haben keine Lust auf Gartenpartys. Schließlich gestehen wir uns ein, dass wir „die Pampa“ heute nicht mehr erreichen und stellen uns auf einen Parkplatz bei einem Park in Tokmok, in den Schatten einer Statue einer lokal sicher sehr wichtigen Person. Hier sieht es ganz manierlich aus und einen Supermarkt mit Imbissbuden gibt’s auch. Wir kaufen für 1 Euro pro Stück riesige, fetttriefende Burger, für die man hier im Hipster-Laden 12 Euro bezahlen würde. Währenddessen wird gegenüber eine schreiende Frau aus ihrem Haus gezerrt und in ein Auto gestopft, das dann mit quietschenden Reifen davonrast. Wir sind alle sehr irritiert, dann lacht die junge Dame hinter dem Imbissstand und zeigt auf ihren Ehering, um uns zu beruhigen. Offenbar ein Hochzeitsritual, das hier üblich ist. Hoffen wir jetzt einfach mal. Zumindest hatte die Sache keine weiteren Folgen. In Tokmok wirken die meisten Leute jedenfalls sehr entspannt, was auch daran liegen kann, dass auf den Gehwegbegrünungen Cannabis wächst.   


Files

Comments

Reinhold Ottner

Klingt nach sehr irritierenden Begegnungen...

Olovil Stein

Der Film wird durch das Tagebuch noch viel besser. Sowas sollte auch auf eine Kommentarspur.