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 9.10.2015 Von China nach Hamburg

Vorab: Das war's. Das ist der letzte Eintrag dieses Reisetagebuchs, das ich vor fast 3 Jahren angefangen habe, hier auf Basis der Erinnerungen und unserer Aufzeichnungen, Videos und Facebook-Posts wiederzugeben. Vor dem letzten Eintrag habe ich noch einmal Mháires Tagebuch durchgearbeitet, eine paar besonderes Quotes notiert und in den bisherigen Einträgen die Fakten korrigiert. Das ganze Ding werde ich demnächst als ein großes PDF mit Bildern und kleinen Zitaten und Zeichnungen aus dem "Journal" hier posten, wobei Steff sicher auch noch Ergänzungen zu machen hat. Jetzt aber zum finalen Eintrag:


Was bleibt zu sagen, was nicht schon im Film detailliert geschildert worden wäre?

Eigentlich war für den 8. Die Übergabe der Visa und des Wagens geplant, damit wir am 9. Endlich ausreisen können. Beides klappt nicht. Während wir auf die Visa warten, verschwindet die zuständige Beamte wie bereits geschildert und auch Team Auto hat keinen Erfolg. Mit Kreditkarte zahlen ist nicht und während wir diverse ATMs abklappern (an jedem können nur wenige 100 Yuen geholt werden, das dauert also eine Weile – und Nicos Bank muss erstmal die Summe freigeben, kann aber telefonisch nicht viel machen. Sparkasse schlägt hier Volksbank, mit Mhaires Bank klappt es dann), macht die Werkstatt zu.

Es muss also alles am selben Tag klappen. Am Vormittag des 9. Geht eine Gruppe die Visa holen und die andere das Auto. Und beides funktioniert! Unser neue Grenzbringer-Guide eskortiert uns zur Grenze. Offenbar hat ihm Abdul alles erzählt, denn er schaut uns mitleidig an. Natürlich erhalten er und Abdul noch ein dickes Trinkgeld, Spendenaktion sei Dank. Am Nachmittag kommen wir pünktlich zum sehr engen Zeitfenster an der Grenze an. Wieder passieren wir drei verschiedene Kontrollen und die Beamten gehen sehr ruppig mit dem Dino um, sind aber nicht so genau wie bei der Einreise, wühlen also nicht jedes Fach durch. Am letzten Tor verabschiedet sich unser Guide und fragt mich, ob es uns gefallen hat. Ob wir eines Tages wiederkommen?

Ich: "Maybe. When you're independent". 

Der Guide beendet das Gespräch mit einem unsicheren Lächeln und geht auf Sicherheitsabstand zu mir. 

Und dann sind wir irgendwann raus aus China! Den Höhenflug, den das verursacht, kennt ihr aus dem Film. Er trägt uns locker durch die kirgisische Grenzkontrolle, bei der wir sehr zuvorkommend behandelt werden. Direkt danach drehen wir auf dem altbekannten Sumpf noch eine Szene für Space 1889, weil wir nicht glauben, dass wir eine bessere Location finden werden. Dann geht es weiter, vorbei an den Kontrollen für das Naturschutzgebiet, wo uns extrem flauschige Wachhunde die Hände abschlecken und fast mit ins Auto hüpfen. Laune: Super!: An der nächsten Tanke kaufen wir mit unseren Kreditkarten westlichen Süßkram. Wie konnten wir 5 Wochen ohne Twix und Snickers leben?  Wir stellen uns in dem beschauliche (und habe ich das schon erwähnt: Total westlichen!) Ort Naryn an den Straßenrand und verbringen dort die Nacht. Am Folgetag müssen wir erneut die Hammerstrecke durch ganz Kirgistan mit ihren absurden Steigungen und schmalen Gebirgspfaden bestreiten, doch dieses Mal hat unser Motor weniger PS. Wir fürchten, erneut abzuschmieren, doch Mháire prügelt das WoMo souverän die Berge hoch. Wir passieren unseren Lieblingsrastplatz und Basti findet dort die Mütze wieder, die er 5 Wochen zuvor verloren hatte! Zu sehen hier:

https://www.youtube.com/watch?v=r6Qh5FNo4EY

 Kurz vor TokMok beginnt die Batterie wieder zu stinken. Offenbar wurden in Kashgar ein paar Modifikationen rückgängig gemacht und die Lichtmaschine ist nicht mehr gedrosselt. Nach einem Burger in TokMok fahren wir also erstmal nach Bishkek rein und hoffen, dass es da eine Werkstatt gibt.

HA! HA!


Bishkek IST eine Werkstatt. Der größte Autoumschlagsplatz Asiens, um genauer zu sein. Die Außenbezirke bestehen nur aus Werkstätten und Reifenshops. Wir finden einen Laden, der bereit ist, uns zu helfen, aber auch sie brauchen noch etwas mehr Zeit, wir dürfen aber auf ihrem Parkplatz übernachten. Das bringt uns Ärger mit einem Parkwächter ein, dem wir die Lage aber schnell erklären können, so dass er ausgesprochen hilfsbereit wird. Weniger cool sind die lärmenden Jungendlichen, die nachts auf dem Nachbarparkplatz Party machen und offenbar versuchen, uns durch Zurufe (irgendwas mit scheiß Ami-Touristen?) zu provozieren. Wir lassen die Rollos runter und bleiben im Bett. Ich lese auf Steffs Kindle einen Quartermain-Roman.


Am nächsten Tag warten wir weiter auf die Reparatur und verbringen die Zeit abwechselnd im Hinterzimmer der Werkstatt, wo Ratten zwischen unsere Füße huschen und auf dem Automarkt/Flohmarkt/Wochenmarkt, der sich dahinter erstreckt. Ein alter Taxifahrer fährt und für umgerechnet 5 Euro durch die Stadt zu einer Bank und schenkt und auch noch einen Apfel. SIND DIE ALLE NETT HIER! 

Wir wechseln unser letztes chinesisches Geld um und kaufen ein wenig ein. Wir verkneifen uns größere Einkäufe, immerhin nimmt Basits Bootleg-Rabbit ja schon einiges an Platz ein. Und gegen Abend ist das Auto fertig. Es läuft, es schnurrt – und hat mit dieser Reparatur brav bis Deutschland und dort noch einige Monate durchgehalten. Wir beschließen, keine Zeit mehr zu verschwenden und machen uns direkt auf Richtung Grenze (mit einem Zwischenstopp im Supermarkt, immerhin ist Kirgistan moderner als Kasachstan – dort kaufen wir u.a. einen Batman-Transformer für Benny, ein weiteres nicht mitgefahrenes Teammitglied), dieses Mal allerdings nicht zur nördlichen sondern zur westlichen. Die bescheuerte Querroute durch Kasachstan wollen wir uns nicht nochmal antun, wir wollen unser Glück mit der von LKW bevorzugen Längsroute versuchen. An der Grenze gibt es mal wieder Schwierigkeiten: Leute wollen Geld dafür, dass sie uns durchlassen und Mháires Einreise nach Kasachstan schlägt fehl, weil irgendwer übersehen hat, dass sie ja das Auto gelenkt hat, also nicht bei der Personenkontrolle durchgegangen ist. Oder irgendwas in der Art. Sie muss nochmal aus- und nochmal einreisen. Jetzt hat sie verwirrend viele kasachische Stempel im Pass. In Kasachsten begrüßt uns ein beeindruckendes Gewitter am Horizont, das mit der untergehenden Sonne, der wir jetzt endlich wieder entgegenfahren, gemeinsam ein tolles Bild über der Wüste abgibt. Wir fahren und fahren und wollen gar nicht mehr anhalten. Auch als die Strecke wieder ins Gebirge und durch seltsame weitläufige Baustellen führt. Offenbar  werden hier 10spurige Autobahnen ausgebaut, aber es ist Nacht, also sehen wir nur ab und zu Baustellenfahrzeuge, andere Autos und Teile der Schotterpiste, von der wir abschätzen können, dass sie breit ist und durch Gebirge führt. Das wechselt sich mit kleinen Sträßchen ab, die uns durch Kuhkäffer führen. Erst in Schymkent, der nächsten großen Stadt, fast schon bei Tashkent, machen wir halt, um ein paar Stunden zu schlafen und Vorräte aufzufüllen. Wir pennen auf einem öffentlichen Parkplatz direkt an einem Park dieser ziemlich großen Stadt. Es stört keine Sau. Wir machen uns früh am Tag wieder auf den Weg, durchfahren Türkistan (das ist eine Stadt, kein Land) wo wir für wenige Cents die hiesige Version von Hot Dogs (Salamibrot mit Salat) essen, uns nett mit offenen Einheimischen unterhalten und im Supermarkt einen Kuchen kaufen, der 2011 abgelaufen ist. Wie versuchen später damit Tauben zu füttern, als wir rasten, aber sie verschmähen das Zeug. Kein Wunder, es ist ja auch nur steinharter Zuckerguss. Weiter geht es nach Baikonur, wo wir uns zwischendurch auf Feldwegen verfahren und nachts dann tatsächlich einen Blick auf den Weltraumhafen werfen können. Wir tanken hier sehr günstig und fahren weiter. Sobald es Dunkel ist, hält uns ständig und immer wieder irgendein Dorfpolizist an. Manch einer winkt uns weiter, als er merkt, dass wir kein LKW sind. Andere wollen dann aber doch den Wagen durchsuchen und einer von den Beamten will genau wissen, was das für ein Vieh in unserem Auto ist und ob es „lebt“.


Unser nächster Tank- und Rastplatz soll die Stadt Aral am Aralsee sein. Wir kommen dort mitten in der Nacht an und es ist ein Abenteuer für sich, eine Tankstelle zu finden. Zwischendurch geben wir auf und beschließen, hier zu übernachten. Aber es ist einfach zu deprimierend und eigentlich wollen wir weiter. Die Stadt ist im Grunde tot und halb vom Wüstensand begraben. Der Aralsee soll sich angeblich durch einen Staudamm wieder der Stadt nähern, aber noch ist er zu weit weg, um dem ehemaligen Fischerdorf Sinn zu geben. Aber immerhin werden hier alte Weltkreigsveteranen auf riesigen Plakaten am Straßenrand gefeiert. Wird finden dann doch eine Tankstelle und fahren weiter.


Ich weiß nicht mehr, ob wir dann vor der Grenze nochmal einen Schlafstopp eingelegt haben, oder ob Basti hier schon einfach durchgefahren ist. Ich weiß aber noch, dass wir in der Großstadt Oral nochmal in einem Riesensupermarkt sind, der schon sehr, sehr europäisch wirkt (immerhin markiert die Stadt ja auch wie das Gebirge den Übergang der Kontinente). Hier irren wir wieder einmal durch eine Großstadt, um Benzin und Nahrung zu finden und machen uns Abends zur russischen Grenze auf. Der Grenzübergang ist angenehm und wir können uns mit einer Flasche Saft den weiteren Weg erkaufen, wobei ich mir sicher bin, der Grenzer meinte Alkohol, als er nach etwas zu Trinken fragte. Hinter der Grenze legen wir eine Pause auf einem Rastplatz auf Quasi-Europäischem Boden ein.

Und das war dann unsere letzte Rast, an die ich mich erinnere. Basti und Steff fahren danach so gut wie nonstop durch. Manchmal fährt auch Mháire – aber alle anderen können solange auf der Rückbank pennen.
Wir alle verpennen Basits Fahrt durch Samara, während der er geblitzt wird und darüber live ein Gedicht auf Facebook schreibt (es ist glaube ich noch da, sucht um den 15.10.2015 rum). Wir durchqueren den Speckgürtel Moskaus mit jede Menge Truckerkneipen, in die wir uns nicht reintrauen und essen irgendwann begierig BigMacs auf einem Rasthof kurz vor der Hauptstadt. Am Ende stehen wir an der Grenze zur EU und alles, was uns aufhält (leider lange), ist Papierkram. Dokumente, die wir bei der Einreise in die GUS nicht bekommen haben, aber bekommen haben sollten. Am Ende ist es egal, Hauptsache, es wurde deswegen Stress gemacht. Die Letten auf der anderen Grenzseite fragen, ob wir Alkohol dabei haben. Der Dino interessiert sie nicht. Daher werden wir an dieser Stelle zu Dinosaurierschmugglern, denn wir hätten das Vieh natürlich hier verzollen sollen. Ich hole das später in Darmstadt nach und werde dafür zumindest ein wenig streng angeschaut.


Und dann sind wir zurück zuhause. Der Rest der Reise vergeht wie im Traum. Litauen, Polen, Ostdeutschland. Irgendwas mit Flüchtlingskrise. Ankunft in Hamburg und Treffen mit einem NDR-Kamerateam direkt vor einem Flüchtlingsheim am Volkspark. Richtiges Essen. Pasta und Schnitzel. Ein eigenes Badezimmer…

Abschließend bleibt eigentlich nur zu sagen: Es war total bekloppt, teilweise würden wir es wieder machen, zumal am Ende doch Momente wie diese hängen bleiben.

https://youtu.be/4yE1mhxGFEk

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Comments

doodlejule

Ein sehr schöner abschließender EIntrag <3 Ich mag die kleinen Videoausschnitte :-) Übrigens hast du einfach eine extrem lustige Art zu schreiben :D Ich finde, aus den Tagebucheinträgen wenn das PDF fertig ist, solltet ihr ein gedrucktes Buch machen :-)