Home Artists Posts Import Register
Join the new SimpleX Chat Group!

Content

22.-24.9.2015 

 Ab dem heutigen Tag wird es zugegebenermaßen etwas schwammig. Es beginnt der Heimweg, der durch ein sich wiederholendes Muster von Pannen, Diskussionen und Werkstattbesuchen geprägt ist - und all das ist im Rückblick zu einer gemeinsamen, schrecklichen Erfahrung verschmolzen. Auch die Videodateien habe ich jetzt nicht mehr nach Tagen sortiert, also nagelt mich nicht auf die Daten fest. 

Fest steht (oder eben auch nicht): am 29.9. läuft unser Visum ab und wir müssen das Land verlassen. Die Route, die Herr Jo geplant hat, ist so konzipiert, dass wir am 28. in Kashgar eintreffen. Da wir uns damit sehr unwohl fühlen, beknien wir Herrn Jo, die Heimreise abzukürzen. Er bestätigt uns, dass er das versuchen wird. Jetzt sollen wir ihm aber erst einmal folgen.Die Fahrt beginnt und zwar zunächst auf der gleichen Strecke wie auf der Hinfahrt. Wir arbeiten uns wieder immer höher und höher ins Hochland vor. Nebenbei verfolgen wir die Strecke auf Google und anfangs sieht es auch so aus, als würden wir in die richtige Richtung fahren. Abends erreichen wir eine kleine Stadt in über 3500 Metern Höhe, wieder einmal verbringen wir die Nacht auf einem Parkplatz, nachdem es einiges Hin und Her gab, ob und wo wir uns mit unserem Wohnmobil an eine der 3 Straßen dieses Ortes stellen dürfen. Am Ende ist es doch wieder der Hinterhofparkplatz des Hotels, in dem Herr Jo unterkommt. Wir streifen durch das Städtchen und finden endlich mal etwas zu essen, das uns ungefährlich vorkommt: Fettgebackener Teig. Keine Ahnung, wie das Gericht heißt, aber wir kaufen den halben Laden leer, nachdem wir einmal probiert und es als „Westler-tauglich“ eingestuft haben. Während ich mich wie ein kleines Kind darüber freue, wie mein Schatten dank Indiana-Jones Hut (den mir Steff geschenkt hat) auf die kahle Wand einer tibetischen Kneipe fällt, wenn ich eintrete (nämlich genau wie im Film!!!), bemerken wir langsam, dass wir doch sehr leicht zu erheitern sind. Und uns alle irgendwie „komisch“ fühlen. Ja – wir sind die Höhe absolut nicht gewöhnt, Wir fühlen uns alle etwas besoffen. Am nächsten morgen wird Steff auch eine Farbdose öffnen wollen und der Deckel wird unter Hochdruck durch das halbe Auto schießen. Lustig, diese Physik.  


Zunächst versucht aber noch eine Einheimische, sich mit uns anzufreunden. Sie hat sich auf Blondschopf Basti eingeschossen und schenkt ihm irgendwelche Gebetstrücher, einen Bildband über Tibet und Essen. Basti scheint das eher unangenehm zu sein. Immerhin kann die Dame englisch (was wir hier nicht erwartet hätten).  Am nächsten Tag geht es weiter und zunächst sieht es so aus, als kämen wir gut voran – und das sogar in der richtigen Richtung. Doch dann biegt Jo auf eine kleine Seitenstraße ab. Und es geht immer weiter bergauf. Es wird immer kälter, stürmischer und verschneiter  - und wir entfernen uns immer weiter von der Route, die wir für den Heimweg halten. Wir fahren über Schotterpisten und durch Sandstürme, dann wird es dunkel, der Schnee setzt wieder ein – und wir steigen immer noch. Von Zivilisation keine Spur. Herr Jo reagiert nicht auf SMS. Irgendwann überschreiten wir die 4500 Meter-Marke.    Wir sind uns zu diesem Zeitpunkt sicher: Jetzt will er uns umbringen. Oder zumindest ärgern. Wir steigen weiter und die Strecke besteht nur noch aus Geröll. Steff fährt und gibt alles, um den Schlaglöchern auszuweichen. Ich helfe ihm und versuche rechtzeitig zu warnen, aber trotzdem hören wir immer wieder, wie unser Unterboden leidet – unsere Reifen und die ganze Karosserie übrigens auch. Wir werden immer wütender und selbst spät in der Nacht geht die Reise immer tiefer ins Gebirge noch weiter. Endlich hält Herr Jo an. Wir haben offenbar das Dorf „Golog“ (oder so... klang jedenfalls wie Gulag) erreicht und er gedenkt, sein Hotel zu beziehen. Wir sind auf 180 und als ich aussteige, sage ich zu Steff „Okay, jetzt hau ich ihm eine rein.“ Steff meint nur „Mach ruhig!“. Ich kann mich aber gerade noch beherrschen und frage ihn stattdessen, ob er uns umbringen wolle und ob er glaube, das WoMo sei für solche Routen geschaffen. Und überhaupt, warum wir diesen Umweg fahren.


Er versteht nicht. 

Er kapiert nicht, warum wir sauer sind oder was das Problem sein soll. Später gibt er zu, nie die Absicht gehabt zu haben, eine Abkürzung zu fahren. Stattdessen ist er verpflichtet, sich genau an die vorher mit der Polizei abgesprochene Route zu halten. Wir werden auf keinen Fall vor dem 28. in Kashgar ankommen. Wir sind also alle total begeistert. Um des Friedens willen essen wir an diesem Abend gemeinsam mit Jo und Li im einzigen Restaurant der Stadt (und mögen es nicht), bevor wir erneut unsern Hintehofparkplatz beziehen und Steff und Basti mit Malcolm um den Schlafplatz ringen. 


Am nächsten Tag gehr es weiter durchs Gebirge und ich möchte nicht sagen, dass es sich nicht irgendwie gelohnt hat. Die Landschaft ist atemberaubend. Die buddhistischen Tempel sind es auch, die Mönche, die wir unterwegs treffen, sind nett und Mháire kann mit Gebetsmühlen spielen. Dennoch fällt der Wagen gefühlt bei jedem Kilometer mehr auseinander. Am Abend erreichen wir einen großen See, den See Quinghai bei Hainan den Herr Jo uns als weitere Touristenattraktion zeigen will. Ja, er ist groß und episch. Aber ist auch voller Mücken, die Landschaft drumherum ist öde, das Hotel, das er für diese Nacht ausgesucht hat, scheint verlassen und Einkaufen kann man hier auch nicht wirklich. Es ist NOCH trostloser als Golog. Reife Leistung, hätte ich nicht für möglich gehalten. Immerhin haben wir jetzt das Hochland hinter uns. Was soll also noch schiefgehen? (Spoiler: Alles!)  
 


Files

Comments

Cadderly

Jepp, Olovil, dem stimme ich zu. Auf jeden Fall Danke für diese mit unter "leicht" emotionalen Berichte. Was mich interessieren würde: Als ihr wieder Daheim gewesen seid.... habt Ihr Eure Rückker mal so richtig gefeiert, (.. Boden knutschen und McDonalds? ..) Euch und diese Hammer Leistung?

doodlejule

Ich finde es auch mega spannend, die Tagebücher zu lesen, und auch gerade wegen dieser dramatischen Aktionen fand ich auch die Doku sehr mitreißend und spannend - einfach Wahnsinn, dass ihr das so gut überstanden habt :O

Orkenspalter TV

ZDF Info hat die Doku übrigens heute abgelehnt und auf ihre dahinsiechende Onlinepräsenz "Funk" verwiesen.