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Immer noch 19.9. 2018.  
 Oh Mann... alle 2 Monate ein Tagebucheintrag ist definitiv zu wenig. Aber ich komme kaum noch hierzu – und diese Einträge nachher hier auf Patreon zusammenzusuchen wird sicher auch kein Spaß. Wobei ich sie ja sammle und hoffe, dass da irgendwann gemeinsam mit Steffs und Mháires Texten ein Buch draus werden kann. Inzwischen ist der Film im Semifinale des New York Independent Filmfestivals und eine nicht sehr seriös wirkende Firma von einem gewissen Bob Shami (googelt den mal!) hat sich als Distributor angeboten. Auf Facebook habe ich den Herrn bereits verlinkt. Es wird also wirklich mal Zeit, die Sache abzuschließen, immerhin hat Jo Lott auch das Plakat und die Skizzen für die Landkarten fertig, die die Google Maps Grafiken ersetzen sollen.

 
Also wo waren wir eigentlich? Beim 19.9.  - und wir sind gerade dem Hochland von Tibet entkommen. Herr Jo will, dass wir uns den größten Buddha der Welt anschauen, den Buddha von Leshan. Also gut, vielleicht ergibt das ein paar schicke Bilder für die Doku? Aber noch sind wir nicht da. Unsere erste Station nach dem Hochland und dem Unfall ist die Millionenstadt Chengdu. Genau – die Stadt an deren Flughafen wir 2 Jahre später eine wahnsinnig tolle Übernachtung haben werden. Bei beiden Gelegenheiten sehen wir nicht viel von Chengdu. Das WoMo fährt mit großem Abstand am „Ortskern“ vorbei und die Metropole erstreckt sich mit ihren Wolkenkratzern am Horizont. Wir machen schließlich in einem Vorort der Stadt halt und parken in einem Hinterhof zwischen Wohnsilos und etwas, das wie Schrerbergärten aussieht. Alles ist voller Verkehrslärm und Hundegebell. Herr Jo erklärt uns, dass die Famlilie des Fahrers hier wohnt und er zusammen mit diesem die Nacht in deren Wohnung verbringen wird. Wir sollen bitte auf dem Hinterhof schlafen und uns ruhig verhalten. Wir haben hier natürlich kein Klo, kein Wasser und auch der letzte Supermarkt schließt gerade, als wir uns aufmachen, um nach Abendessen zu suchen. Wir versuchen beim Hundegebell und den fernen Sirenen einzuschlafen und wenn ich micht nicht täusche, hat zumindest einer von uns einen Schrebergarten als WC benutzt. Vielleicht habe ich das aber auch geträumt. 

Sei's drum, der 20.9. ist gekommen. Es ist Buddha-Zeit! Und am 21. sind wir in Zigong mit Only Dinosaurs verabredet. Wir habe es also fast geschafft. Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Nach ein paar Stunden Fahrt kommen wir in Leshan an die Stadt ist schick, modern, liegt direkt an einem großen Fluss und im Schatten von Bergen. Der perfekte Ort für Touristenfallen! Erst halten wir an einem Ticketoffice und Herr Jo besorgt Zugangstickets für uns – für den Buddha, den Park drumherum und den Tempel. Dann fahren wir aufs Gelände und merken bald, dass das ein Fehler war, denn Parkmöglichkeiten sind in den Tickets nicht eingeschlossen. Herr Jo lotst uns wild durch die Gegend, steigt dann aus und versucht uns einzuweisen. Dann unterhält er sich lautstark mit einer Frau mittleren Alters in einem hellblauen Kleid. Die beiden zeigen auf uns und werden noch lauter. Dann steigt Herr Jo wieder ein und die wildfremde Frau mit ihm. Beide geben plötzlich Basti Anweisungen, wo er denn nun lang fahren soll. Wir sind alle verwirrt und machen halt mit. Letztlich lotst die Frau uns auf einen weiteren Hinterhofparkplatz und verlangt ein paar Maos dafür. Ihre ganze Familie scheint uns dort schon erwartet zu haben – ich nehme also ALLES an Kamera-Equipment mit. Auch das Stativ. Das brauchen wir alles. Dringend! Genau. 


Ich schäme mich ein wenig für mein Misstrauen.

Wir gehen ein paar Minuten durch vermüllte Gassen und erreichen den Eingang des Parks. Das Gelände ist malerisch, die Anlage ist hübsch … äh … angelegt, bietet einen schicken Blick auf den Fluss und die Stadt. Außerdem geht es reicht steil bergauf bis wir schließlich den 70 Meter hohen Buddha von oben sehen. Eine „Totale“ auf das Ding vom Fluss aus wäre ungleich teurer gewesen, aber ich habe ja mein Weitwinkel. Uns bleibt aber wenig Zeit, den Anblick zu genießen. Die Touristendichte hier ist absurd und schon schieben uns alte Chinesinnen mit ihren spitzen Ellbogen vom Geländer weg, teilweise so aggressiv, dass ich es mir nicht verkneifen kann, sie auf Englisch laut fluchend anzupöbeln, was andere Touristen wiederum zu einem breiten Grinsen verleitet. Wenn ich übrigens „Touristen“ schreibe, meine ich natürlich Chinesen. Ab und zu sehen wir in der Menschenmenge einen einsamen Westler mit einem Gesichtsausdruck, der vermutlich genauso überfordert aussieht wie unser eigener. 



Wir suchen uns eine ruhigere Ecke im Park, machen eine kleine Rast und nehmen ein paar Moderationen für die Late Nerd Show auf. Mháire ist begeistert davon, dass wir hier im Garten eines berühmten Philosophen sind, dessen Namen ich bereits vergessen habe. Sie arbeitet das aber in ihre Moderation ein, offenbar findet sie das wirklich toll. Auf dem Rückweg zum WoMo kaufen wir noch ein Plüschtier als Ersatz für das verschollene Bärchen: Einen kleinen Panda. Wir beschließen, dass wir zumindest ihn dann aus China retten werden. Weiter geht es, weg von Leshan -uns trennen nur noch ein paar Kilometer von Zigong und wir wollen heute bereits dort übernachten. Mháire hat mit Kevin von Onlydinosaurs telefoniert, aber Herr Jo hatte sich in die Gespräche eingemischt und sich als Vermittler angeboten. Völlig unnötig übrigens, denn Kevins Englisch ist 20 Mal besser. Sobald wir in Zigong ankommen, fahren wir erst einmal zum Dinomuseum, damit wir ca. wissen, wo wir hinmüssen - und weil wir hoffen, dass wir es uns noch schnell von innen ansehen können. Es hat allerdings bereits geschlossen. 

Auf dem Parkplatz des Museums kommt es aber zu einem folgenschweren Gespräch. Herr Jo hat mit Kevin gesprochen. Kevin meint, Mháire habe den Dino noch nicht bezahlt. Herr Jo fragt Mháire durch die heruntergekurbelte Scheibe des WoMos mit sorgenschwerer Miene:
„Why didn't you pay, Maiwi? Why didn't you?“

Mháire ist davon völlig überfordert. Schon mehrfach hatte Herr Jo sie Dinge gefragt, die ihn absolut nichts angingen. Warum sie hier oder dort Essen gekauft hätte? Warum sie lieber das machen wollte statt jenes. Oft völlig unsinnigen Kleinkram, den er wohl als Smalltalk verstand und Mháire hatte immer wieder geantwortet „Why do yo want to know?“ Dieses Mal lasse ich ihr die Zeit nicht. Ich habe die Schnauze voll von dem Typen und raste völlig aus.   „That's none of your business, Alan! Who asked you to interfere?  KNOW YOUR F***ING PLACE!“

Alan Jo geht daraufhin erst einmal völlig perplex zu seinem Wagen zurück. Er kommt später wieder, um das weitere Vorgehen zu besprechen, aber das Verhältnis ist durch. Mháire hat die Überweisung natürlich rechtzeitig angewiesen, das Geld ist nur noch nicht eingetroffen und die Sache wird sich am nächsten Tag in Wohlgefallen auflösen. Für's Erste fahren wir in die Innenstadt von Zigong. Dort will uns Herr Jo mal wieder in ein Parkhaus lotsen, in das wir nicht passen. Dann in einen Hinterhof, in dem wir alles versperren würden – während das gesamte Hotelpersonal zuschaut und Fotos von den bescheuerten Europäern machen möchte. 


Schließlich dürfen wir doch auf dem Bürgersteig direkt vor dem Hotel parken. Es ist sogar zur Abwechslung ein anständiges, sauberes Hotel mit großen Zimmern, brauchbaren Toiletten und freundlichem Personal. Nur – was besorgen wir uns Abends in Zigong, Hauptstadt des Hotpots, zu Essen? Wir suchen die Straßen ab, aber es gibt AUSSCHLIESSLICH Hotpot-Restaurants. Heiß. Scharf. Und die beste Chance, uns wieder Fu Man Chus Rache zu holen – oder wie auch immer man die fernöstliche Version davon nennt. Ich passe. Steff passt. Basti will es unbedingt probieren, aber nicht alleine. Mháire steht zwischen den Stühlen. Ich kaufe mir letztlich einfach eine große Portion Obst am Straßenrand und hoffe das beste. Noch eine Nacht bis zum Dino, das werden wir ja wohl überleben... 

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Comments

Reinhold Ottner

Danke für die Fortsetzung, immer wieder schön sie zu lesen...

Cadderly

Ja. Bitte führt diese Reisedokumentation weiter. Wer weiß, vielleicht hat es ja auch eine therapheutische Wirkung im Nachhinein.