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9.  September 2015 -    Wieder sind wir an diesem Tag mit Uiguide in der Lobby verabredet. Wir hoffen inständig, dass wir heute all unseren Papierkram bekommen können, denn wir sind ja bereits einen vollen Tag hinter dem Zeitplan. Dieses Mal wissen wir, welche Uhrzeit er wirklich meint – und wir sind auch vor dem Frühstück gewarnt, verzichten also darauf. Während auf dem Parkplatz ein Filmteam mit mindestens 20 Mitgliedern inkl. geisterhaft blassen chinesischen Schauspielern dabei ist, seine Wagen für den Weg zum Dreh zu packen, geht alles bei uns etwas schneller. Dieses Mal wollen wir direkt von der Führerscheinstelle aus losfahren und haben deswegen auch Herrn Jo dabei. Und natürlich kommt auch Mháire direkt mit, der es immerhin etwas besser geht. Sie kennt die Geschichten vom Amt bisher auch nur über unsere Erzählungen ist ebenfalls recht belustigt, als wir dort ankommen.

   Und vor Ort warten wir dann eben wieder, während unsere Guides immer wieder ins Gebäude hetzen und ab und zu im Wohnmobil vorbeischauen. Irgendwann wird es uns zu blöd. Wir meinen zu Herrn Jo, dass wir die Zeit doch nutzen könnten und schonmal Einkaufen fahren. Er versteht nicht, was damit gemeint ist. Ja, man könne später einkaufen. Nein, sage ich, wir könnten doch während wir warten schon mal einen Supermarkt suchen und dort eben einkaufen. Damit wir später schneller voran kommen. Herr Jo will wissen, wie weit wir denn heute noch fahren wollen und ob wir lieber nicht noch eine Nacht in Kashgar bleiben wollen. Wir sagen, wir wollen die verlorene Zeit wieder reinholen und möglichst heute noch die geplanten 450 km zum nächsten Ort schaffen. Das gefällt ihm nicht, aber er willigt am Ende ein. Auch zum Supermarkt „dürfen“ wir fahren, er will allerdings mitkommen und setzt sich als Beifahrer neben Basti ins Wohnmobil. Es wird schnell klar, dass er Basti irgendwie am liebsten mag. Vielleicht, weil er blond ist und viel lächelt, keine Frau und ihn auch nicht immer böse anstarrt, so wie ich. 

 Ein paar Kilometer fahren wir, bevor eine andere kleine Stadt erreicht wird, in deren Zentrum wir neben Panzern und SWAT-Fahrzeugen parken. Dann geht es eine Rolltreppe hinab in einen komplett unterirdischen Supermarkt. Wir müssen durch einen Metalldetektor und unsere mitgebrachten Taschen wegschließen lassen. Dann erwartet uns ein echtes Einkaufsparadies, wie wir es seit Almaty nicht mehr erlebt haben. Wir decken uns mit Knabberkram, Konserven und Softdrinks ein, staunen über hier zu erwerbende „Schieß den bösen Japaner und Russen ab“-Spielzeuge, Lego-Plagiate oder die exotischen Süßigkeiten und Fleischwaren. Im Großen und Ganzen wirkt aber alles recht gewohnt westlich. Nur die Laufbänder an den Kassen sind bloß ca. 20 cm lang (damit man nicht so sehr dem bösen Konsum anheim fällt?) und kaum eine Kreditkarte wird akzeptiert.   Die restliche Wartezeit vor dem Amt verläuft angenehmer, denn jetzt haben wir Kekse und Cola. Als es auf 17:00 zu geht, knurrt dennoch der Magen. Mháire und ich erkundigen uns bei Herrn Jo, wie lange es wohl noch dauern wird. Er schätzt, eine gute Stunde. Wir melden uns ab uns statten einem (ziemlich versifften) Imbiss einen Besuch ab, wo Mháire mit einer Mischung aus russisch und Mandarin Nudeln für alle erwirbt. Mittendrin kommt Herr Jo mit hochrotem Kopf reingestürmt, wo wir denn blieben, es ginge doch weiter. Wir waren keine 20 Minuten weg. Toller erster Eindruck. 

Wir haben unser Nummernschild also bekommen: Es ist ein wabbeligs Pappding, immerhin einlaminiert, und es soll hinter der Windschutzscheibe klemmen. Okay.   Wir fahren – immer noch mit Alan Jo an Bord – weiter gen Osten und erstmals auf die Autobahn. Es geht quer durch die Steinwüste. Viel zu sehen gibt es nicht, Abwechslung durch die Mautstellen ist nicht gerade willkommen, aber leider vorhanden. Die Nutzung der Autobahn haut direkt ganz schön in die Reisekasse rein: Um die 30 Euro werden wir da am Tag nochmal los. Dafür ist natürlich der Sprit billiger als hier. Am späten Abend erreichen wir dann das 450 km entfernte Aksu. Eine Stadt, über die es eigentlich nicht viel zu sagen gibt.

 Vor Ort hätte ich gesagt: Kashgar ist eine eher arabisch/türkisch geprägte Stadt. Aksu ist offenbar eine Han-Siedlung. Stimmt nicht ganz. Kashgar hat 3 Mio. Uigurische Einwohner und 300.000 Han. In Aksu leben laut Wikipedia genauso viele Han, aber nur 200.000 Uiguren. Auch wenn Wikipedia weiter sagt „Aksu ist türkisch und heißt übersetzt weißes Wasser.“ fühlt sich dieser Wüstenort vollkommen anders an. Kein Seidenstraßen-Charme hier. Dafür Las Vegas-Neonreklame und Hochhäuser überall.Wie in den Folgenächten auch parken wir auf dem Parkplatz des Hotels, in dem Herr Jo und sein Fahter Herr Li einkehren und wissen nicht so ganz, ob das legal oder abgesprochen ist. Wir ziehen noch ein wenig um die Häuser und suchen nach einem Laden, der Notebook-Adapter fürs Auto verkauft. Leider erfolglos. Dafür finden wir jede Menge Supermärktchen, Nippes-Läden und Bars. Nichts davon interessiert uns gerade, also beobachten wir die chinesischen Senioren, die in perfekter Formation auf den Straßen und Plätzen tanzen, streng bewacht von jeder Menge Polizei. Es wird Zeit fürs Bett.   

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Comments

Raoul Fiebig

Nico mit dem bösen Blick - ja, ja. ;-) Vielen Dank für die Fortsetzung!